Der finanzielle Lebenszyklus einer Arzt-Patientenbeziehung ist mehr als Generierung von Cash-Flow. Er gehorcht einer Reihe von Gesetzmäßigkeiten, die hier detailliert besprochen wurden. Der folgende Artikel demonstriert beispielhaft, wie man den aktualisierten Netto-Kapitalwert (Net Present Value, NPV) des gesamten Patientenstamms aus den vorher erläuterten Faktoren berechnet.Der NPV ist der momentane Wert Ihres gesamten Patientenstamms, welcher sich aus den zu erwartenden Gewinnen über den Lebenszyklus der Arzt-Patienten-Beziehung ergibt.Mit der Kenntnis des NPV lassen sich sowohl Investitionsentscheidungen für die Akquise neuer Patienten leichter treffen als auch die Wertentwicklung Ihres Patientenstammes in die Zukunft projizieren. For die Ermittlung des NPV muss die traditionelle Buchführung um wichtige Key Performance Indikators (KPIs) wie Abwanderungsraten und jährliche Wertentwicklung von Patientensegmenten ergänzt werden.Zur Berechnung des NPV des gesamten Patientenstamms betrachten wir jedes Patientensegment separat nach Dauer der Arzt-Patienten-Beziehung. Das tun wir aus zwei Gründen:
- Abwanderungsraten (umgekehrt proportional zur Patientenbindung, in % pro Jahr) sind in den ersten Jahren am höchsten und werden dann immer geringer
- Gewinne pro Patient steigen mit der Anzahl der Jahre kontinuierlich an
Wertschöpfung pro Patient im Jahr des Lebenszyklus
Normalerweise erhöht sich der zu erwartende Gewinn pro Patient mit jedem zusätzlichen Jahr der Arzt-Patienten-Beziehung. Falls Ihr Patientenstamm schon einige Jahre umfasst, sieht der Gewinn für die einzelnen Jahres-Segmente vermutlich ähnlich aus wie das Diagramm unten. Sie bilden dabei den Mittelwert über alle Patienten des 1., dann des 2. usw. bis zum x.ten Jahr. Die Begründung dafür finden Sie hier.
Aktualisierter Netto-Kapitalwert eines neuen Patienten (Net Present Value, NPV)
Um den NPV eines neuen Patienten abzuschätzen, ziehen wir jedes Jahr 15% nach der Zinseszinsmethode vom zu erwartenden Gewinn ab. Denn Gewinne in der Zukunft sind heute weniger wert als die Gegenwärtigen.
In diesem Beispiel datieren wir den Jahresgewinn auf den 31. Dezember. Um den NPV des ersten Jahres zu berechnen, dividieren wir € 10 durch 1,15. Für das zweite Jahr € 175 durch (1.15 hoch 2). Und so weiter.
Wenn Sie mit einer jährlichen Rendite von 15% zufrieden sind, können Sie also € 1574,16 pro Patient ausgeben, wenn ein Patient 15 Jahre bei Ihnen bleibt. Das ist die Summe aller Jahresgewinne im Diagramm oben. Da wir nun den Wert eines Patienten bezogen auf die geschätzte Dauer der Arzt-Patientenbeziehung berechnen können, lautet die nächste logische Frage:
Wie viele Jahre verbleibt ein neuer Patient in meiner Praxis?
Konstantes vs. reales Abwanderungsverhalten
Wir berechnen die durchschnittliche Dauer der Patientenbeziehung, indem wir das Verhältnis der Zahl der jährlichen Abgänge zur Patientenzahl am Jahresanfang nehmen und invertieren. Ein Beispiel: Anfang des Jahres ist der Patientenstamm 1000, davon sind 100 im selben Jahr abgegangen, d.h. in der Folgejahren nicht mehr zur Behandlung gekommen. Es ist also 1/10 abgegangen, nun drehen wir die Zahlen um (invertieren den Bruch) zu 10/1 = 10. Die durchschnittliche Dauer der Patientenbeziehung Ihrer Praxis ist also 10 Jahre.
Allerdings können wir nicht von einer über alle Jahre konstanten Abwanderungsrate ausgehen. Es verlassen uns weitaus mehr Patienten in den ersten Jahren der Beziehung als in den darauf folgenden Jahren. Im Diagramm unten zeigt die orange Linie eine mögliche Variante der realen Abwanderung eher als die blaue Linie. Das hat signifikante Konsequenzen für unsere spätere NPV-Berechnung des Patientenstamms, wir wir im nächsten Kapitel sehen werden.
Heutiger Wert des Patientenstamms (NPV aller Patienten)
Nachdem wir den NPV eines neuen Patienten hochgerechnet auf die Dauer seiner Beziehung berechnen können, möchten wir den NPV des gesamten Patientenstamms ermitteln. Dieser ist das Produkt aus dem NPV eines Patienten mal der Anzahl Patienten, die im jeweiligen Jahr noch in Ihre Praxis kommen.
Es wird klar, dass die Abwanderungsrate Ihrer Patienten der NPV massgeblich mitbestimmt. Denn die Summe der zu erwartenden Gewinne des 5%-Patientenkollektivs sind wesentlich höher als die mit der zehnprozentigen Abwanderungrate.
Schlussbetrachtung: NPV pro Patient bei 5% vs. 10% Abwanderungsrate
Schließlich dividieren wir die Summe des NPV jedes Jahres durch die Anzahl des am Anfang vorhandenen Patientenkollektivs, 1000, um den finalen NPV pro Patient zu berechnen.
Betrachten wir nur die ersten 15 Jahre, dann kann eine Verbesserung der Abwanderungsrate von 5% den zu erwartenden Gesamtgewinn pro neuem Patient um 19% steigern.
Das bedeutet: Sie haben 19% mehr Spielraum für Investitionen in Ihre Patienten, um daraus weiteren Mehrwert zu schaffen, d.h. Ihre Praxis weiter zu vergrößern, falls Sie ihr Unternehmergehalt nicht erhöhen wollen. Es lohnt sich also, die richtigen Patienten zu finden, in diese zu investieren und damit dafür zu sorgen, dass sie viele Jahre wiederkommen.